[aus: Kantstudien; 6. Band; 1901; S. 270-283]
Die Frage der logischen Methode hat eine neue, gründliche
Erörterung erfahren durch das im Titel genannte Buch von Edmund Husserl.
Darüber an dieser Stelle kritischen Bericht zu geben liegt umso [!] näher,
da die Frage die Erkenntniskritik" Kants und seiner Nachfolger
offenbar mitbetrifft. Denn die Aufgabe, welche Husserl der reinen Logik"
zuweist, ist im Grunde eben die, welche die Kantische Schule heute als die der
Erkenntniskritik bezeichnet.
Die Fragen, welche das Buch zur Entscheidung bringen will, sind
(nach S. 7): ob die Logik eine rein theoretische oder praktische Disziplin
ist; ob von anderen Wissenschaften, insbesondere Psychologie und Metaphysik, abhängig
oder nicht; ob sie bloss die Form oder auch die Materie der Erkenntnis betrifft;
ob sie auf demonstrativem Wege, a priori, oder induktiv, empirisch zu ihren Sätzen
gelangt. Es giebt aber, meint der Verf., im Grunde nur zwei Parteien, die eine,
welche die Logik als theoretische, von Psychologie unabhängige, formale und
demonstrative, und die andere, welche sie als praktische, von Psychologie abhängige,
materiale und empirische Wissenschaft ansieht. - Das mag nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft in weitem Umfang zutreffen. An sich aber leuchtet nicht
ein, dass die rein theoretische, von Psychologie unabhängige, demonstrative
Logik schlechthin nur formal und in keinem Sinne material sein könne;
Schuppe und die transzendentale" Logik Kants sind naheliegende
Gegeninstanzen. Damit hängt auch die Frage der Stellung der Logik zur
Metaphysik
1) Logische Untersuchungen von Edmund Husserl. 1. Teil.
Prolegomena zur reinen Logik. Halle a. S., Niemeyer. 1900. XII u. 258 S. 8°.
[270/271]
zusammen, die in der Gegenüberstellung der zwei
Parteien" ganz unberücksichtigt geblieben ist. Wer eine Logik der
gegenständlichen Wahrheit rein theoretisch und unabhängig zu begründen
für möglich hält, wird nicht leicht daneben noch eine Metaphysik
gelten lassen, sondern behaupten, dass die Metaphysik eben damit in die Logik,
die alte Ontologie", wie schon Kant sagte, in die Analytik des
reinen Verstandes" aufgelöst sei; ganz abgesehen davon, dass die
Erkenntniskritik als philosophische Grundwissenschaft auf den Titel einer
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doch wohl berechtigten Anspruch hat. Es wird darauf noch zurückzukommen
sein. -
Nach dieser Instruktion des Problems (Einleitung) setzt die
Untersuchung (Kap. 1) bei der Frage ein, ob die Logik eine normative
Wissenschaft sei. Die Antwort lautet bejahend: Logik ist die Kunstlehre von der
wissenschaftlichen Erkenntnis. Aber nun erhebt sich erst die weitere Frage (Kap. 2)
nach der theoretischen Grundlage dieser Kunstlehre; ist diese ausserhalb der
Logik selbst, ist sie, nach der gegenwärtig vorherrschenden Ansicht, in der
Psychologie zu suchen, oder hat die Logik selbst für sie einzustehn, giebt
es also eine reine", d. h. ganz auf eigenem Grunde bauende,
theoretische Logik, die der Logik als Kunstlehre zur Grundlage dient? Der Bekämpfung
der ersteren, vom Verf. als Psychologismus" bezeichneten Ansicht ist
der grösste Teil des Buches gewidmet; und es dürfte ihm gelungen sein,
diese heute so selbstgewiss auftretende, durch eine Reihe in ihrer Art schätzbarer
Arbeiten seit Jahrzehnten festgewurzelte Meinung ernstlich zu erschüttern,
indem er sich nicht darauf beschränkt, sie durch eine knappe, gleich aufs
Zentrum losgehende Deduktion als unhaltbar zu er weisen, sondern es nicht spart,
sie gleichsam von allen Seiten zu umstellen, in alle Schlupfwinkel ihrer
versuchten Begründung zu verfolgen, und ihr so jeden Rückzug
abzuschneiden.
Der Gedankengang des Psychologismus ist etwa dieser (Kap. 3):
Die Logik hat es überhaupt nur mit psychischen Thätigkeiten zu thun;
wie sollte also nicht Psychologie ihre Grundlage bilden. Man sagt zwar, sie
handle nicht vom thatsächlichen, sondern vom notwendigen
Verstandesgebrauch, vom Denken nicht wie es ist, sondern wie es sein soll. Aber
der notwendige Verstandesgebrauch ist auch Verstandesgebrauch, das Denken, wie
es sein soll, ein Spezialfall des Denkens wie es ist. Das unterscheidende
Merkmal kann nur psychologisch sein. Es ist die Evidenz. Wird eingewandt, die
Logik frage nicht nach der Kausa-[271/272]lität des Denkens, sondern nach
den Bedingungen seiner Wahrheit, so kann man nur meinen die Bedingungen jenes
psychologischen Charakters, der Evidenz, welche jedenfalls kausale Bedingungen
sein müssen. Auch dass Logik deshalb nicht auf Psychologie beruhen könne,
weil diese umgekehrt die Gesetze der Logik schon voraussetzt, scheint kein
durchschlagender Gegengrund; denn jede Begründung der logischen Forderungen
muss doch den logischen Gesetzen gemäss sein, also insofern sie
voraussetzen (S. 57; Verf. glaubt damit auch meine Bemerkung, Philos.
Monatsh. XXIII S. 264 f., getroffen; dagegen beruft er sich S. 169 auf
eben diese meine Ausführungen. In der That berührt sich der
Gedankengang dieser Ausführungen nahe mit des Verf. 8. Kapitel, s. w. u.).
So stellt sich der Psychologismus zunächst im günstigsten
Scheine dar. Was ihn gleichwohl für den Verf. unannehmbar macht, ist an
erster Stelle seine schroff empiristische Konsequenz (Kap. 4). Psychologie ist
eine Thatsachenwissenschaft, mithin empirisch; sie kann nur ungefähre
Regelmässigkeiten der Koexistenz und Succession aufweisen, solche können
die logischen Wahrheiten nach ihrem Anspruch exakter Geltung nicht begründen.
Eine eigentümliche Kausalität soll die Richtigkeit des Denkens
erbringen; aber damit hebt man die logische Einsicht auf, denn wie sollten
wir von Kausalgesetzen Einsicht haben?" Die logische Gesetzlichkeit ist
aber eben nicht Kausalität. Das logische Gesetz tritt nie als Glied in die
Kausation ein. Man verwechselt logischen Grund und kausale Verursachung, indem
man aus dem logischen Grund einen Denkzwang macht. Kein logisches Gesetz
involviert eine Thatsache oder ist ein Gesetz für Thatsachen. Zwar nur am
thatsächlich gegebenen Einzelnen wird man des logischen Gesetzes sich
bewusst, aber der Inhalt der logischen Einsicht ist nicht Folgerung aus der
psychologischen Einzelheit; alle Erkenntnis fängt zwar von der Erfahrung
an, aber entspringt darum nicht aus ihr. Giebt es einsichtig erkannte"
Gesetze, so können sie nicht Gesetze psychologischer Thatsachen sein. Keine
Wahrheit ist eine Thatsache" d. h. zeitlich Bestimmtes; das würde
den Widersinn einschliessen, dass das Gesetz selbst entstände und verginge
- nach einem Gesetze. - Die Argumentation ist wuchtig, ja vernichtend, freilich
unter der Voraussetzung, dass man überzeugt ist, es giebt strenge Gesetze
wenigstens in Logik und Arithmetik. Doch ist es schon etwas, dass der
Verteidiger des Psychologismus sich in die Konsequenz gedrängt sieht, alle
strenge Gesetzlichkeit [272/273] preisgeben zu müssen, was der Absicht der
grossen Mehrheit der psychologischen Logiker nicht entspricht. Der
Psychologismus muss zum Skeptizismus flüchten, um sich etwa zu behaupten.
Wie der Verf. ihn auch aus dieser letzten Zuflucht aufstört, wird das 7. Kapitel
zeigen; in den beiden nächsten verfolgt er noch den im 4. eingeschlagenen
Weg, indem er mehr im besondern die psychologische Interpretation der logischen
Grundsätze (Kap. 5) und der Syllogistik (Kap. 6) in Prüfung
zieht.
Der extreme Empirismus scheut nicht die Konsequenz, dass gerade
die letzten logischen Grundsätze nur vage Verallgemeinerungen
psychologischer Erfahrungen seien. Der Satz des Widerspruchs soll sagen: zwei
kontradiktorische Glaubensakte können nicht koexistieren. Aber dieser Satz
ist unvollständig: unter welchen Umständen nicht? Denn diese
Koexistenz kommt vor. Gemeint ist: unter normalen Umständen, beim Menschen
etc. Aber da fehlt schon jede sichere Begrenzung, man versucht sie nicht einmal.
So begnügt man sich, da wo es sich um die letzten Grundlagen aller
Wissenschaft handelt, mit ganz vagen Voraussetzungen; der Satz, der den ganzen
Bau der Erkenntnis tragen soll, wird zum Muster eines grob ungenauen und
unwissenschaftlichen Satzes. Das ist aber gar nicht mehr der Satz der Logik;
denn dieser behauptet unter allen Umständen, in absoluter Strenge und
Ausschliesslichkeit, dass zwei kontradiktorische Sätze nicht beide wahr
sind. Husserl formuliert den Fehler Humes bündig so: Mittelbare
Thatsachenurteile lassen keine vernünftige Rechtfertigung, sondern nur
psychologische Erklärung zu; aber was rechtfertigt diese Erklärung?
Sie beruht ja nur auf mittelbaren Thatsachenurteilen, ist also selbst einer vernünftigen
Rechtfertigung unfähig. Und von Mill urteilt der Verf.: wo es sich um die
prinzipiellen Fundamente seiner empiristischen Vorurteile handelt, ist der sonst
so scharfsinnige Mann wie von allen Göttern verlassen. Man sagt: im Denken
schliessen kontradiktorische Sätze sich aus, meint aber: im richtigen
Urteilen; das ist Tautologie, damit ist nichts bewiesen für die Unmöglichkeit
realer Koexistenz. Oder man sagt, im Bewusstsein schliessen sie sich aus, und
meint das überzeitliche Normalbewusstsein; das ist wieder nur eine
Umschreibung des logischen Prinzips, die mit Psychologie nichts zu thun hat.
Oder: Niemand kann" Widersprechendes zugleich denken; nämlich
niemand Vernünftiger; einen andern nennen wir nicht vernünftig. Für
den, der richtig urteilen will, für niemand anders besteht [273/274] diese
Unmöglichkeit. Kurz, man setzt, ganz unberechtigt, Inkoexistenz an die
Stelle des Nicht-zusammen-wahr-sein-könnens". Man verwechselt
objektiv gesetzliche Unvereinbarkeit mit subjektivem Unvermögen die
Vereinigung zu vollziehen. - Wendet man die Theorie auf die Syllogistik an, ist
dann nicht jeder Fehlschluss eine Gegeninstanz? Ein bemerkter Widerspruch wird
aufgegeben; aber gilt der Satz des Widerspruchs" etwa nicht für
den unbemerkten? Man redet mitunter in einem Atem von Streben nach
widerspruchslosem Denken und von Unmöglichkeit, Widersprechendes zu denken.
Was heisst es, nach etwas streben, dessen Gegenteil unmöglich ist ? u. s. f.
Das 7. Kapitel will, wie angedeutet, noch entscheidender
die unvermeidlich skeptische Konsequenz des Psychologismus darthun. Die Theorie
verstösst gegen die evidenten Bedingungen der Möglichkeit einer
Theorie überhaupt. Diese Bedingungen sind zweierlei, die subjektive Möglichkeit,
evidente von blinden Urteilen zu unterscheiden (noetische"
Bedingung), und die objektiven Konstituentien einer theoretischen Einheit überhaupt
(logische" Bedingungen). Als Skeptizismus definiert H. die Leugnung
der logischen oder noetischen Bedingungen für die Möglichkeit einer
Theorie überhaupt. Der Skeptizismus in diesem Sinne, der über den
metaphysischen Skeptizismus in Hinsicht der Erkennbarkeit der Dinge an
sich" noch hinausgeht und sich nicht notwendig mit diesem verbindet, ist
direkt widersinnig. (Vielleicht nur, wenn man streng gültige Theorie um
jeden Preis will. Sogar dürfte der Skeptiker sagen, er wolle sie auch, er
finde nur, dass sie ein unerreichbares Ideal sei. - Übrigens erneuert sich
hier der Zweifel, ob die Frage nach dem Gegenstand von der nach den logischen
Grundgesetzen überhaupt getrennt werden kann; ob wirklich die letztern in
keiner Weise vom Gegenstand reden, da es doch keine Erkenntnis giebt als vom
Gegenstande. Verf. selbst behauptet die Objektivität" des
Logischen, zwar nur im Sinne der Nichtsubjektivität; aber sollte die
Subjektivität überwunden werden können, ohne dass man eben damit
den Gegenstand setzt? Ding an sich" aber sagt nur: uneingeschränkte
Gegenständlichkeit.) Husserl prüft nun genauer den Skeptizismus oder
skeptischen Relativismus in individualistischer Fassung; dieser ist ihm so
wie aufgestellt, schon widerlegt" - für den der die Objektivität
alles Logischen einsieht. (Aber sie wird eben bestritten.) Eingehenderer Prüfung
würdigt er den spezifischen", nämlich anthropologischen
Relativis-[274/275]mus B. Erdmanns. Auch dieser ist widersinnig, indem er
als möglich offenhalten will, dass, was für eine Spezies wahr, für
eine andere falsch sei. Aber die logischen Grundgesetze wollen nur aussagen, was
zum Sinn der Worte wahr und falsch gehört. Wären sie nur für eine
Spezies wahr, so gäbe es für irgend eine Spezies womöglich keine
Wahrheit, es wäre womöglich wahr, dass nichts wahr wäre, u. dgl.
Die Voraussetzungen jeder Theorie kann eben keine Theorie zweifelhaft machen,
ohne sich selbst, als Theorie, aufzuheben. Der Psychologismus aber hat in jeder
Form den Relativismus zur Konsequenz; Wahrheit wird zum psychologischen
Erlebnis. Sie ist vielmehr Idee" (ganz im platonischen Sinn, S. 129).
Das 8. Kapitel will die Argumente des Psychologismus
direkt, nicht, wie die vorigen, aus den Konsequenzen widerlegen. 1) Man
sagt, Normen zur Regelung psychischer Thätigkeiten müssen selbst
psychologisch fundiert sein. Hiergegen stellt Husserl nunmehr bestimmt fest: der
Gedanke der Normierung gehört gar nicht wesentlich zum Inhalt der logischen
Sätze; man kann ebensogut mathematische Sätze in Form von Vorschriften
aussprechen, obwohl sie gewiss rein theoretisch sind. Es heisst also dem
Psychologismus nicht richtig begegnen, wenn man gegen ihn nur den Normcharakter
der Logik ausspielt; gerade auf ihren rein theoretischen Charakter kommt es
vielmehr an. Und hier bedient sich Husserl selbst des (oben scheinbar von ihm
abgelehnten) Arguments (S. 161, vgl. 165 f.): Wahrheiten, die rein im
Inhalt oder Sinn derjenigen Begriffe gründen, die die Idee der Wissenschaft
als objektiver Einheit konstituieren, können nicht nebenher zum Bereiche
irgend einer Einzelwissenschaft gehören, zumal nicht einer
Thatsachenwissenschaft wie der Psychologie. Dass dagegen die logischen Gesetze
auch für den Aufbau der Logik selbst gelten müssen, sei zwar paradox,
aber keineswegs logisch anstössig. Der wahre Gegensatz zum Naturgesetz ist
nicht das Normgesetz, sondern das Idealgesetz, welches rein theoretisch ist. -
2) Logik redet von Vorstellungen, Begriffen, Urteilen, Schlüssen,
Beweisen; das alles sind psychische Gebilde; wie sollten die darauf bezüglichen
Sätze nicht psychologische sein? - Antwort: Dasselbe Argument würde
die Mathematik (überhaupt alle Wissenschaft) in Psychologie verwandeln.
Vielmehr ebenso wie die Objekte der Mathematik sind die der reinen Logik ideale
Spezies"; ihre Grundbegriffe haben keinen empirischen Umfang (thatsächlicher
Einzelheiten), sie, be-[275/276]stehen aus rein idealen Einzelheiten (wie die
Zahlen der Mathematik). Aber in der heutigen Logik spricht man durcheinander von
Vorstellungen im psychologischen Sinn und vom Inhalt der Vorstellungen, von
Urteilen als psychischen Akten und vom Urteilsinhalt (Satz) u. s. f.
Man hält nicht auseinander den psychologischen Zusammenhang der
Erkenntniserlebnisse, in welchen Wissenschaft sich subjektiv realisiert, den
Zusammenhang der erkannten Sachen, welche das Gebiet der Wissenschaft ausmachen,
und den logischen Zusammenhang. (Das Zweite fällt in reiner Logik und
Arithmetik mit dem Dritten zusammen.) - 3) Man versteht die Evidenz als
psychologischen Charakter und macht aus der Logik eine kausale Theorie dieser
Evidenz. - Hier räumt Husserl ein, dass die logischen Sätze in
gewissen Sinne psychologische Bedingungen der Evidenz enthalten; aber die Sätze
selbst sagen sie nicht aus, sondern erst in psychologischer Anwendung und
Umwendung nehmen sie diesen Sinn an. Aus jedem rein logischen Satze lassen sich
psychologische Evidenzbedingungen ableiten; denn die Urteilsevidenz steht
einerseits unter nur psychologischen Bedingungen wie Konzentration des
Interesse, geistige Frische, Übung etc., andererseits unter idealen
Bedingungen, die für jedes mögliche (also auch für ein gegebenes)
Bewusstsein gelten. (Ich muss gestehen, dass mir dadurch die Frage nicht glatt
erledigt scheint. Husserl selbst hat an früherer Stelle so energisch und
richtig verneint, dass je logische, ideale Gesetze in die Kausation eintreten könnten,
dass es nur eine Dunkelheit des Ausdrucks sein kann, die es jetzt anders
erscheinen lässt. Ich meine, eine rein theoretische Logik habe von dem
psychologischen Erlebnis der Evidenz schlechterdings nichts zu sagen; sie sagt
nur, es finden Relationen der Übereinstimmung unter Denkinhalten statt,
bedingt durch die und die bestimmten inhaltlichen Grundrelationen. Diese
Relationen finden statt, d. h. nicht, sie ereignen sich in Erlebnissen der
denkenden Psyche, sondern sie bestehen, zeitlos, wie die Relation 1 + 1 = 2.
Freilich wüssten wir nichts von diesem überzeitlichen Stattfinden,
wenn es nicht das zeitliche Erlebnis der Einsicht" gäbe, in
welchem, nach Husserls Redeweise, das Ideale" sich uns realisiert";
aber von dem Zeitcharakter dieses Erlebnisses geht nichts in den Inhalt dessen
ein, was wir so, in Zeit, einsehen. Wahrheit ist eine Idee, deren
Einzelfall im evidenten Urteil aktuelles Erlebnis ist", sagt Husserl S. 190.
Das bedarf der Erklärung, wenn es nicht als Metaphysik
missver-[276/277]standen werden soll. Oder soll man es metaphysisch nehmen? Dann
schiene, zwar nicht die Logik, aber doch die Schlichtung des Grenzstreits
zwischen Logik und Psychologie von Metaphysik abhängig. Ebenso, wenn er
sagt: Wo nichts ist, kann man nichts sehen, so auch, wo keine Wahrheit ist",
nichts als wahr einsehen - womit bewiesen sein soll, dass die Wahrheit des
Urteilsinhalts die wesentlichste Vorbedingung sogar des Gefühls"
der Evidenz sei -, so scheint das logische Gesetz doch in die Kausation
einzutreten; denn was kann Vorbedingung eines Gefühls" anders
sein als Bedingung im kausalen Sinn?)
Auch die biologische Begründung der Logik vom Standpunkt
der Denkökonomik" (von Mach und Avenarius, bei Cornelius ganz in
den Psychologismus einmündend) wird (Kap. 9) einer besonderen Prüfung
unterzogen. Sie namentlich beruht auf einem
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. An sich geht die reine Logik der Denkökonomik vorher; es
bleibt Widersinn jene auf diese zu gründen. Überhaupt sind die Gegengründe
wesentlich dieselben wie gegen den Psychologismus.
Eine Schlussbetrachtung zu dieser gesamten Kritik (Kap. 10)
berührt die historischen Antezedentien, worauf ich, namentlich was den
Kritizismus betrifft, am Schluss noch eingehen werde. Von Vertretern des
Psychologismus, um das hier zu bemerken, sind am eingehendsten Mill, Sigwart,
Erdmann, auch Heymans berücksichtigt; zu wenig vielleicht, angesichts
seines grossen Einflusses, Wundt, kaum überhaupt Riehl, auch Lipps nicht
eingehender. Eine entschiedenere Würdigung hätte Schuppe verdient, der
sich bereits selbst mit dem Verf. auseinandergesetzt hat. (Arch. f. syst.
Philos. VII 1 ff. Vgl. auch m. Bericht über Schuppes Grundriss, ebenda
III 103 ff., und über Wundts Kritik Schuppes, VI 214 ff.)
Im letzten (11.) Kapitel entwickelt der Verf. positiv seine Idee
der reinen Logik. Gesucht ist die Einheit der Wissenschaft, als objektiver und
idealer Zusammenhang; damit die Einheit der Gegenständlichkeit, der
Wahrheit, welches beides zwar nicht identisch, aber nur abstraktiv zu scheiden
ist. Was bestimmt aber die Einheit der Wissenschaft? Die Einheit des Begründungszusammenhanges,
des Zusammenhanges in Gesetzen. Dieser muss in rein theoretischen (nomologischen")
Wissenschaften auf Grundgesetze führen. Aus den Gesetz-Wissenschaften schöpfen
auch die konkreten oder Thatsachenwissenschaften ihr Theoretisches. Die
Grundfrage der Logik ist demnach die nach den Bedingungen der [277/278] Möglichkeit
von Wissenschaft überhaupt, von Theorie überhaupt, von Wahrheit überhaupt,
von deduktiver Einheit; die notwendige Verallgemeinerung der Kantischen Frage
nach den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, denn diese meinte, wie
H. anerkennt, eben die Einheit der gegenständlichen Gesetzlichkeit. Die
gesuchten Bedingungen" sind natürlich als ideale, rein
inhaltliche, nicht subjektive zu verstehen; von der Subjektivität kann und
muss dabei ganz abstrahiert werden. Es fragt sich also: welches sind die
primitiven Möglichkeiten", aus denen die Möglichkeit"
der Theorie, d. h. welches sind die primitiven wesenhaften Begriffe",
aus denen der selbst wesenhafte Begriff der Theorie sich konstituiert. Auf diese
letzte Grundlage muss alle logische Rechtfertigung unserer Begriffe zurückgehn;
es ist also die reine Logik die Theorie der Theorien, die Wissenschaft der
Wissenschaften. - Im besonderen wird es sich fragen: welches sind die s ä m t l i c h e n
primitiven Begriffe, die den Zusammenhang der Erkenntnis in objektiver
Beziehung, den theoretischen Zusammenhang möglich machen, oder welche die
Idee der theoretischen Einheit konstituieren; die reinen, formal gegenständlichen
Kategorien", unabhängig von der Besonderheit irgendwelchen
Erkenntnismaterie, unter welche alle im Denken speziell auftretenden Begriffe,
Gegenstände, Sätze, Sachverhalte sich ordnen müssen? Sie sind zu
gewinnen durch Reflexion auf die menschlichen Denkfunktionen, sind dann einzeln
zu fixieren und in ihrem, nicht psychologischen sondern logischen, Ursprung zu
erforschen. (Hinterher will er das Wort Ursprung" nicht gelten
lassen, wegen der Gefahr psychologischer Auffassung. Aber von primitiven"
Begriffen konnte er selbst nicht umhin zu reden. Man stellt doch überall
dem Abgeleiteten das Ursprüngliche gegenüber, nicht nur in
psychologischer Bedeutung. Spricht man von einer Herleitung, Deduktion, so wird
man vom Ursprung zu reden wohl nicht umhin können.) Demnächst ist zu
handeln von den Gesetzen, die in den kategorialen Begriffen gründen und
nicht nur deren Komplikationen, sondern ihre objektive Geltung betreffen. Dahin
gehört nicht bloss die Grundlegung der Syllogistik, sondern auch die
Fundamentalsätze der reinen Arithmetik. Es muss aber zuletzt eine
geschlossene Zahl primitiver oder Grundgesetze geben, die unmittelbar in den
kategorialen Begriffen gründen und vermöge ihrer Homogeneität
eine allumfassende Theorie ausmachen. Endlich ist fortzuschreiten zu den
wesentlichen Arten oder Formen [278/279] der Theorie, also zu ihrer
Differenzierung in die möglichen Theorien, welche ebenfalls rein a priori
in zwingender Deduktion zu vollziehen ist. Eine partielle Realisierung dieser
Idee liegt vor in der mathematischen Mannigfaltigkeitslehre. Allgemein führt
die Entwicklung der logischen Theorie überall in die reine Mathematik hinüber.
So erhebt sich hier eine neue Grenzfrage, an die die wenigsten Logiker gedacht
haben: die Frage nach den Grenzen der Logik und Mathematik. Die Konstruktion der
Theorien wird stets der Mathematik zufallen, die längst nicht mehr ihre
Grenze in Zahl und Quantität sieht, namentlich der Syllogistik sich bereits
ganz und gar bemächtigt und ihr, die man für abgeschlossen hielt,
ungeahnte Erweiterung verschafft hat. Aber der Mathematiker ist nicht der reine
Theoretiker, sondern der ingeniöse Techniker, der Konstrukteur. Eben
deshalb bedarf es der besonderen erkenntniskritischen Arbeit, die dem
Philosophen zufällt. Baut die Wissenschaft - für den Verf., wie für
Platon und Kant, fast schon identisch mit Mathematik - Theorien, so fragt die
Philosophie nach der Theorie der Theorien. Dass damit wirklich etwas geleistet
wird, was die Mathematik als solche nicht leisten kann noch will und was doch
geleistet werden muss, soll die Ausführung zeigen. - Erfahrungswissenschaft
ist allerdings nicht rein auf Theorie zu reduzieren. Alle Theorie in
Erfahrungswissenschaften ist bloss supponierte Theorie; sie erklärt nicht
aus einsichtig gewissen", sondern einsichtig wahrscheinlichen"
Grundgesetzen. Ja die Thatsachen" selbst sind zuletzt nur
Wahrscheinlichkeiten. Aber die Wahrscheinlichkeit hat wiederum ihre Gesetze;
diese muss die reine Logik in ihrer Vollendung mitumfassen. Doch will Husserl in
seinen Untersuchungen sich vorerst auf das Gebiet der reinen Erkenntnis beschränken.
-
Es schien der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessen, den Verf.
zunächst selbst ausführlich zu Worte kommen zu lassen, mit nur
geringer gelegentlicher Unterbrechung durch kritische Einreden. Soll ich nun zu
dem Ganzen, kritisch und vielleicht weiterführend, noch etwas bemerken, so
wird es nicht nur den Lesern der Kantstudien" selbstverständlich
erscheinen, dass ich das Bestreben des Verf. mit dem Kants sowie des heutigen
Kritizismus in Beziehung setze. Denn diese Beziehung liegt in der Sache greifbar
vor und hat sich dem Verf. selbst nicht ganz verbergen können. Zwar glaubt
er Kant und seine Schule im Psychologismus" noch tief befangen. Er
gesteht (S. 93, Anm. 3) wohl zu, dass Kants
Er-[279/280]kenntnistheorie Seiten hat, die über den Psychologismus
der S e e l e n v e r m ö g e n
a l s E r k e n n t n i s q u e l l e n
hinausstreben und in der That auch hinausreichen"; aber sie habe doch auch
stark hervortretende Seiten, die in den Psychologismus hineinreichen".
Ein guter Teil der Neukantianer gehört ihm in die Sphäre
psychologistischer Erkenntnistheorie, wie wenig sie es auch Wort haben wollen.
Transzendentalpsychologie ist eben auch Psychologie". Leider nennt er von
allen nur einen, Lange, dessen Zurückführung des Apriori auf die Organisation"
schon längst Cohen und die von ihm gelernt haben, als Abweg erkannt und mit
Entschiedenheit abgelehnt haben. Wenn trotzdem z. B. eben Cohen psychologisch
lautende Wendungen nicht ängstlich vermeidet, so geschieht es, weil er
vertrauen darf, dass die beigegebenen Erklärungen jeden Verdacht des
Psychologismus ausschliessen. Wer das Psychologische finden will, wird es überall
finden, auch bei Husserl. Es hilft ihm nichts, dass er (S. 214) billige
Scherze wiederholt über jene verwirrenden mythischen Begriffe, die
Kant so sehr liebt ... die Begriffe Verstand und Vernunft", die in
dem eigentlichen Sinne von Seelenvermögen" uns nicht eben klüger
machen, als wenn wir in analogem Falle die Tanzkunst durch das Tanzvermögen,
die Malkunst durch das Malvermögen u. s. w. erklären
wollten. Es hilft ihm nichts, der mit nicht minderer Vorliebe selbst die Wörter
Einsicht", einsichtig", und gar vernünftig"
gebraucht, die doch um kein Haar weniger dem Verdachte des Psychologischen
ausgesetzt sind. Dass er überhaupt an einem a priori" festhält,
fast als ob noch kein Mensch dabei etwas Psychologisches geargwöhnt hätte,
genügt, ihn ganz und gar mit der Transzendentalphilosophie in gleiche
Verdammnis zu setzen. Er hat diesem Teufel einmal den kleinen Finger gereicht,
er wird schon die ganze Hand hergeben müssen, so wird es heissen. Aber man
lese bei Kant für Verstand Begriff", für Vernunft Idee",
und so durchweg, so wird man nicht bloss mit dem Verständnis überall
durchkommen, sondern sehr bald erkennen, dass Kant durch die Begriffe Verstand",
Vernunft" etc. nicht auch nur eine Nebenfrage seiner
Transzendentalphilosophie, geschweige irgend eine ihrer Grundfragen hat
erledigen wollen. Weshalb hätte er so grosse Mühe auf die Bereinigung
der Kategorientafel, auf die Deduktion" der reinen Verstandesbegriffe
und Grundsätze verwandt, weshalb hätte er die scharfe Verwarnung bezüglich
der Postulate" ausgesprochen, dass, irgendwelche synthetischen Sätze
für unmittelbar [280/281] gewiss ohne Rechtfertigung oder Beweis
ausgeben", sie ohne D e d u k t i o n
auf das Ansehen ihres eigenen Ausspruchs dem unbedingten Beifall aufheften",
so viel heisse wie alle K r i t i k d e s
V e r s t a n d e s zunichte
machen, den V e r s t a n d jedem Wahne
preisgeben? Weshalb überhaupt bedurften Verstand" und Vernunft"
einer Kritik, wenn durch sie, als gegebene psychologische Instanzen, irgend eine
Frage der Philosophie der Erkenntnis hätte beantwortet sein sollen? Sie
dienen überall nur zum thatsächlichen Aufweis und der genauen
Abgrenzung der P r o b l e m e, nirgends
zur L ö s u n g der Probleme. Sie sagen in
psychologischer Richtung nichts mehr als dass, was im objektiven Inhalt der
Erkenntnis besteht, sich im subjektiven Verlauf des Erkennens doch irgendwie
darstellen muss; dasselbe, was bei Husserl den weit bedenklicheren, weil
metaphysisch anklingenden Ausdruck erhält, dass das Ideale" sich
im Erlebnis der Psyche realisiert".
Husserl hat sich das für seine Absicht förderliche
Verständnis Kants besonders dadurch verbaut, dass er, als Logiker, sich
vorzugsweise an Kants reine" Logik, zumal an den von Jäsche
allerdings genügend kurz und trocken" bearbeiteten
Vorlesungsabriss derselben, gehalten hat, während die entscheidende
Leistung Kants für die Logik doch wohl in der transzendentalen"
Logik zu suchen ist. Löst man aus dieser die psychologischen Elemente, nämlich
die subjektive" Deduktion, die er selbst von der objektiven"
so sicher zu scheiden weiss, völlig heraus, fasst man rein den inhaltlichen
Aufbau der transzendentalen" Logik als solcher ins Auge, so
entspricht dieser in aller Reinheit dem von Husserl gezeichneten Ideal. Er
schreitet fort von G r u n d b e g r i f f e n
zu G r u n d s ä t z e n
zu G r u n d w i s s e n s c h a f t e n,
ganz wie Husserl es fordert, und wie der wahre Entdecker des Logischen, P l a t o,
es klar vor Augen gesehen hat (s. m. Ausf. im Hermes, XXXV 411-425). Und
er beantwortet damit die Frage nach der Möglichkeit" der thatsächlich
gegebenen W i s s e n s c h a f t,
was Husserl selbst als letzte und reinste Formulierung der logischen Grundfrage
aufstellt. Darüber sollte die Verständigung nicht schwer fallen, zumal
nachdem ich dem Verf. bereits zu danken habe für die ausdrückliche
Zustimmung zu den allgemeinen Folgerungen, die ich auf eben dieser Grundlage in
dem von ihm mehrfach zitierten Aufsatz Über objektive und subjektive
Begründung der Erkenntnis" (Philos. Monatsh. XXIII, 257 ff.,
1887) gezogen, in der Abhandlung über Quantität und Qualität"
(ebenda [281/282] XXVII, 1891.) weitergeführt, in der Einleitung zur
Psychologie" (1888), und oft in gelegentlichen, meist kritischen Ausführungen
(hinsichtlich des Psychologismus" zuerst gegen Lipps, Gött. Gel.
Anz. 1885, 1. März) vertreten habe.
Oder ist das fortdauernde Misstrauen gegen den Kritizismus
vielleicht doch Symptom einer tieferliegenden Differenz? Schon oben wurde die
Frage angeregt, weshalb eigentlich Husserl auf dem formalen", nicht
materialen Charakter der Logik besteht? Es ist das um so auffallender, da er
andrerseits die objektive" Geltung der logischen Gesetze zu beweisen
gedenkt, auch nicht daran denkt sie auf den Umfang der bisher formal"
genannten Logik einzuschränken, sondern namentlich die ganze reine
Mathematik in sie einbegreift, die jeder Vertreter der formalen"
Logik sonst zur Materie" der Wissenschaften gerechnet hat. Das Formale"
scheint sich demnach, dem Umfang und auch dem Inhalt nach, zu decken mit dem Reinen"
und zugleich Gegenständlichen", d. h. mit dem T r a n s z e n d e n t a l e n.
Aber auch so bleibt bei Husserl unaufgelöst bestehen der G e g e n s a t z
des Formalen und Materialen, des Apriorischen und Empirischen, damit auch des
Logischen und Psychologischen, des Objektiven und Subjektiven; oder, um es mit
einem Wort und zugleich in seiner eigenen Terminologie zu sagen: des Idealen und
Realen. Das Materiale, Empirische, Psychologische, d. h. das Reale",
bleibt stehen als unbegriffener, u n v e r n ü n f t i g e r
Rest; ja dem V e r h ä l t n i s,
der inneren, erkenntnisgemässen und also l o g i s c h e n
Verbindung beider wird überhaupt nicht nachgefragt, sondern es soll sein
Bewenden haben bei ihrer schroffen und reinlichen S o n d e r u n g.
Und so bleibt bei aller, ich wage zu sagen, ausserordentlichen Luzidität
jeder logischen Einzelausführung dem Leser ein gerade l o g i s c h e s
Missbehagen zurück. Man folgt dem fast dramatisch spannenden Kampf zweier
Gegner, und sieht nicht, woher zuletzt ihre Gegnerschaft stammt, was eigentlich
sie nötigt sich auf Tod und Leben zu bekämpfen; zumal sich dabei mehr
und mehr eine genaue Wechselbeziehung, ja untrennbare Zusammengehörigkeit
beider entdeckt, die umsomehr überrascht, da man uns erst nur den
Antagonismus sehen liess. Indem nun der Autor des Dramas in schroffer
Einseitigkeit die Partei des Idealen" nimmt und in diesem eigentlich
platonischen Sinne sich zum Idealismus" bekennt, bleibt das Reale"
als fremder, verworfener, und doch nicht wegzuschaffender Rest stehen. Sonst
wollte der Idealismus" [282/283] vielmehr im Idealen das Reale, in
den
l
o
g
o
i
die
o
n
t
a
begründen; so in Plato, so in Leibniz, so in Kant, der
besonders klar eben die Frage des G e g e n s t a n d e s
selbst als die zentrale Frage seiner neuen, der transzendentalen"
Logik erkennt, ja den ganzen Begriff des Gegenstandes aus den
Formalbestandteilen der Erkenntnis, aus dem Logischen im vertieftesten Sinne
erst aufbaut. Die einzig verständliche Konsequenz ist: dass die Gegenseite
des Objektiven, das Subjektive, als das Quasi-Objekt der Psychologie, sich eben
als blosse Gegenseite, gleichsam Widerschein, R e f l e x i o n"
des Objektiven herausstellt; was erklären würde, weshalb gerade die
eindringendste Untersuchung der Konstituentien der Objektivität es so gar
nicht vermeiden kann auch die Subjektivität in Betracht zu ziehen. In
dieser Richtung habe ich Kant nicht sowohl zu interpretieren als weiterzubilden
versucht; und ich vermute, dass Husserl, wenn die Fortführung seiner
logischen Untersuchungen ihn, wie unvermeidlich, vor dies in seinen Prolegomena"
ungelöste, ja kaum erkannte Problem stellen wird, er sich auf ähnliche
Wege gedrängt sehen wird. Zwischen dem überzeitlichen Bestand des
Logischen und seiner zeitlichen Thatsächlichkeit im Erlebnis der Psyche m u s s
eine Verbindung, eine l o g i s c h e
Verbindung geschaffen werden, wenn nicht das Wort von der Realisierung des
Idealen" ein Aenigma, eine metaphysische Redewendung verdächtigster
Art bleiben soll. Ist diese Verbindung möglich, dann natürlich nur von
Seiten des Überzeitlichen, durch Vermittlung des (in sich doch überzeitlichen)
B e g r i f f s - der Zeit selbst. Die
Realisierung besagt dann nicht mehr einen mystisch metaphysischen Akt, sondern
einen streng verständlichen logischen Übergang von einer
Betrachtungsart zu einer andern, im letzten Grunde in ihr implizierten. Und so
wird erst klar, was eigentlich das Psychologische ist", woher seine
Kollision mit dem Logischen, und in welcher letzten, selbst logischen
Vermittlung diese Kollision ausgleicht. Zu dieser Peripetie muss das Drama geführt
werden, eher darf der Vorhang nicht fallen.
Aber wir haben ja auch nur einen Ersten Teil" vor
uns; für die Instruktion der logischen Untersuchung aber war gewiss die völlige
Aufseitestellung des Psychologischen vorteilhaft. Und so sind wir für das
schon Geleistete dankbar, und dürfen uns doch positivere Förderung von
der Fortführung der Untersuchung versprechen, die, seit diese Zeilen
niedergeschrieben wurden, bereits erschienen ist und demnächst an dieser
Stelle beurteilt werden soll.
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